Die Schatzkammer des Martbergs
Martberg-Funde auf 1388 Seiten
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Da staunte der Chauffeur von Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig nicht schlecht. Auf einem derart holprigen Weg wie zum Martberg hat er den Professor aus dem Mainzer Bildungsministerium selten zu einem Termin gebracht. Ja, der Martberg macht Mühe - aber eine Mühe, die sich lohnt.
POMMERN. Verwundert reibt man sich die Augen. Kostet das neue Buch über den Martberg 9,80 Euro oder tatsächlich 98 Euro? Spätestens bei einem Blick auf die Blätter erschließt sich der Preis: Der zweiteilige Band ist 1388 Seiten stark und nicht nur dadurch ein gewichtiges Werk. Es rekonstruiert detailliert das Kultgeschehen in dem Tempelbezirk über mehr als 450 Jahre. Das ist so besonders, so außergewöhnlich, dass selbst Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig mit seinem staunenden Chauffeur aus Mainz anreist. Dessen Frage "Wie kommt eigentlich jemand auf die Idee, hier oben zu graben" ist für den Mann aus demBildungsministerium denn auch Anlass, in seiner Rede die Spezies der Archäologen zu rekonstruieren. Für Hofmann-Göttig ist das "eine spezifische Sorte Mensch", mit ungeheurer Geduld und langem Atem. Im sportlichen Bereich wären die Archäologen wohl beim Angeln zu vermuten.
Gewichtige Wertschätzung
Nun ja, die Archäologen, denen der Martberg so viel zu verdanken hat, angeln seit 1994 nach Schätzen im Verborgenen. Sie graben behutsam aus, setzen die Vergangenheit wie ein Puzzle zusammen, dokumentieren und interpretieren - doch nicht zum Selbstzweck. "Die Bedeutung des Denkmals ist nur gewährleistet, wenn die Menschen wissen, um was es hier geht", sagt Hans Helmut Wegner von der Landesarchäologie Koblenz. "Die Wertschätzung gelingt nur durch Informationen." Und so hat sich im rekonstruierten Tempel eine stattliche Anzahl Menschen zusammengefunden, um das neue Buch zu bestaunen (und vielleicht zu kaufen). Der Landrat ist da, Bürgermeister der Verbandsgemeinden, Förderer und Forscher. Auch wenn die Temperatur im Tempel an einen Tiefkühlschrank erinnert, so wärmt alle doch die Freude darüber, dass man hier auf einem ganz besonderen Fleckchen Erde ist, das mit jedem Fund an Bedeutung gewinnt. Unterdessen schlägt der Chauffeur draußen den Mantelkragen hoch, während er die Fernsicht genießt. Würde er jetzt noch das neue Buch lesen, dann wüsste er, dass genau an der Stelle ein Siedlungszentrum der Treverer war, einem keltischen Stamm, der sich an der Mosel niederließ. Unter den Fundamenten der Tempel des 1. bis 4. Jahrhunderts nach Christus fand man Spuren spätkeltischer und frührömischer Kultanlagen. Hier opferten die Treverer ihren Göttern die Waffen besiegter Feinde, aber auch Gold- und Silbermünzen.
Sensationelle Ergebnisse
"Sensationelle Ergebnisse", wie es Professor Alfred Haffner von der Universität Kiel formuliert, hat der Martberg für die Heiligtumsforschung geliefert. "Nirgendwo sonst kann die Entwicklung so differenziert dargestellt werden." In die Hymne auf das Heiligtum stimmt auch Professor Hans Markus von Kaenel, Universität Frankfurt, ein. Er hat sich mit den Münzausgrabungen befasst und bestätigt, dass es "hier die besten Funde weit und breit gibt". Sie lassen in ihrem Kontext eine Dokumentation zu, "die es in dieser Präzision kein zweites Mal gibt". Und damit der Superlative nicht genug: Das neue Buch über den Martberg ist für ihn "ein epochales Werk". Zu verdanken ist es der ausdauernden Akribie der Archäologen, die sich unbeeindruckt von Wind und Wetter in ihre Spurensuche vertiefen. Zu nennen sind vor allem Dr. Martin Thoma und Dr. Claudia Nickel, die Ausgrabungsleiter vom Martberg. Seit 1994 werden die Grabungen auf dem Martberg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mitfinanziert. "Das ist so etwas wie die wissenschaftliche Veradelung des Projektes", betont Staatssekretär Hofmann-Göttig. Das Projekt ist interdisziplinär, beteiligt sind die Generaldirektion Kulturelles Erbe (Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Koblenz), das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel sowie das Projekt "Fundmünzen der Antike" der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Ob sich der Chauffeur noch wundert, als er später mit dem Staatssekretär von dannen fährt? Wahrscheinlich nicht, weil Hofmann-Göttig ihm das monumentale Buch gezeigt hat.
Birgit Pielen
Informationen gibt es unter www.martberg.de. "Martberg, Heiligtum und Oppidum der Treverer" (Band 1) ist für 98 Euro unter ISBN 978-3-9811687-3-0 im Buchhandel erhältlich.
Rhein-Zeitung - Ausgabe Mittelmosel vom 27.10.2008